The fifth Swiss Congress of Historical Sciences is held in Zurich from June 5 to June 7 and will cover panels and keynotes around topic of wealth (“Reichtum”). The congress is organised by the “Historisches Seminar” from University of Zurich in collaboration with “Schweizerische Gesellschaft für Geschichte”.

Ariana Dongus from our research group speaks on the the panel “Zur Kritik der digitalen Ökonomie” on the use of biometrics in refugee camps as new computational measurements for biopolitical control and critiques how the camps are used as laboratories for testing experimental technologies.

Panel “Zur Kritik der digitalen Ökonomie”
Jun 5, 2019
Panelists: Carlo Vercellone, Moritz Feichtinger, Ariana Dongus

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Panel description:

»Die Bedigung des Kapitals ist die Lohnarbeit.«

Ausgehend von dieser Prämisse entwickelte Marx im 19. Jh. seine Mehrwerttheorie und darauf fussend die bekannteste Fundamentalkritik des kapitalistischen Systems. Als Grund für das Ausbleiben des im historischen Materialismus präsupponierten Zusammenbruchs des Kapitalismus wird oft angeführt, dass Mehrwert eben nicht nur durch menschliche Arbeit generiert werden könne. Immer häufiger wird selbiger heute von autonom ablaufenden Programmcodes und durch (Re-)Kombination von Daten gewonnen.

War bis ins späte 20. Jh. der industrielle Fortschritt durch Effizienzsteigerungen im physischen Fabrikationsprozess gekennzeichnet, so dominieren im 21. Jh. unter den hinsichtlich Equity Value höchstbewerteten Unternehmen jene, bei denen materiell greifbare Produktionsmittel sekundär geworden sind. Quelle des Reichtums scheinen im Zeitalter der Digitalisierung Datenmengen zu sein sowie die Algorithmen, welche selbige auswerten. Wiewohl Marx’ Prophetien heute kaum mehr ernsthaft vertreten werden, bleiben andere Aspekte seiner Wirtschafts- und Sozialanalyse spannend und aktuell. So war Marx beispielsweise durchaus bewusst, dass Kapital kein Ding an sich ist, sondern dass es vielmehr als eine soziale Relation zwischen Klassen anzusehen ist, die durch die Welt der Dinge mediatisiert und in asymmetrischen Besitzverhältnissen reproduziert wird.

Während damals der numerisch dominanten Arbeiterschaft die politisch-wirtschaftliche Macht und die Selbstentfaltung genommen wurde, indem eine geringe Zahl an Besitzbürgern deren Arbeitskraft viel zu billig für ihre Zwecke zu instrumentalisieren vermochte, aggregieren heute einige wenige Konzerne kostenlos und massenhaft persönliche Daten, die eigentlich dem Individuum gehören. Das Grundproblem ist also, ähnlich wie die soziale Frage im 19. Jh., hinreichend bekannt, die Möglichkeiten zur Remedur hingegen sind umstritten. Ebenso paralysiert wie abhängig gemacht sieht die Masse der Bevölkerung zu, wie der privilegierte Zugang zu Datenmengen als mächtigste Ressource der Gegenwart die Basis für künftige asymmetrische Reichtumsverhältnisse legt.