Doktorandenprojekt, Humboldt Universität Berlin

Die Intelligenz von Maschinen hat heute einen Punkt erreicht, an dem die Botschaften der über Netzwerke kommunizierende Algorithmen für Menschen unverständlich zu werden beginnen. Es wird immer deutlicher, dass künstliche Intelligenz nicht mit der humanen konkurriert, sondern eigene Wege beschreitet. In meiner Dissertation „Vom Denkautomat zum Denkzwang“ zeige ich jedoch, dass eine „künstliche Intelligenz“ zunächst auf das menschliche Denken bezogen war, noch bevor die mathematischen und logischen Grundlagen gelegt wurden, welche zur Konzeption von elektronischen Computer führten.

Den Ausgangspunkt einer „Kulturgeschichte des automatischen Denkens“ bildet dabei die philosophische und physiologische Konzeption des Körpers als einer Maschine, die am Anfang des 17. Jahrhunderts Anatomie und Mechanik analogisch verschaltet hat, und dabei implizit die Perspektive eröffnete, dass auch der Ablauf der Gedanken, das bewusste Denken und die Selbstreflexion, quasi mechanisch determiniert sein könnten. Philosophen, Theologen und Mediziner dachten darüber nach, wie die maschinell verstandenen Abläufe des Körpers den Geist beeinflussen, wurden zu Beobachtern ihrer Gedanken und stellten sich die Frage, ob ihre alltäglichen Ideen und Vorstellungen automatisch erzeugt wurden.

Mit meiner Untersuchung verfolge ich einerseits philosophiehistorisch die Idee eines determinierten Denkens, ausgehend von René Descartes und Baruch de Spinoza, und setze mich andererseits diskursanalytisch mit den wissenschaftlichen Kontexten auseinander, in denen diese formuliert wurde. Mit der zeitgenössischen Rezeption der religiös und politisch kontroversen Vorstellung des Geistes als einer Maschine zeichne ich nach, inwiefern diese provokante und folgenreiche Idee rückblickend eine Schlüsselszene der Entstehung künstlicher Intelligenz darstellt, eingebettet in die wissenschaftlichen Paradigmen ihrer Zeit. Diese interdisziplinäre Dynamik offenbart auch die Untersuchung des selbstreflexiven „Denkzwangs“, der als Auseinandersetzung mit der Psycho-Physiologie des 19. Jahrhunderts den Endpunkt der Arbeit bildet.

Mit „Vom Denkautomat zum Denkzwang“ möchte ich zeigen, wie die aktuellen Fragen der künstlichen Intelligenz bis zu Descartes und dessen mechanischer Analyse des eigenen Denkens zurückreichen, d.h. wie die Beobachtung und Interpretation der alltäglichen Gedankenabläufe eine künstliche Intelligenz des Menschen entwirft, die, von einfachen Maschinen inspiriert, die Vorstellung der komplexen elektronischen Netzwerke von heute noch immer mitbestimmt.

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From the Spiritual Automaton to Coerced Thinking

Lately, the messages of machines communicating via networks are beginning to become incomprehensible to humans. As it turns out, artificial intelligence is not competing with human intelligence, but develops it’s own idiosyncratic forms. In my dissertation project The Spiritual Automaton and Coerced Thinking I show that there has been an “artificial intelligence of the human mind” long before the idea of computers was conceived.

My starting point in developing a “cultural history of automatic thinking” is the philosophical and physiological conception of the human body as a machine. In the beginning the of the 17th century, this figure of analogy between anatomy and mechanics opened, in an implicit way, the perspective of not just the body, but also the mind and it’s actions, concatenations and reflections being quasi mechanically determined. Philosophers, theologians and doctors were contemplating the bodily influence on their thoughts and wondered if their everyday thinking was somehow tied to an automatic process.

My aim is twofold: an investigation in the philosophical history of the idea of automatic thinking based on the writings of René Descartes and Baruch de Spinoza, as well as an analysis of the discursive context in which the idea is embedded. By considering the contemporaneous reception of Descartes’ and Spinoza’s notion of a “thinking mechanism” and a “spiritual automaton”, I sketch out the intellectual background of this politically and religiously controversial notion. In 17th and 18th century France and the Netherlands, this key scene in the conception of artificial intelligence is elucidated. As an historical outlook, I consider Daniel Paul Schreber’s “coercion to think” vis-à-vis 19th century German psycho-physiology.

In my dissertation project From the Spiritual Automaton to Coerced Thinking, I aim to reconstruct an anthropomorphic prehistory of modern day artificial intelligence which puts the human mind, rather than machines and algorithms, at the center. In doing so, I want to uncover some of the “all too human” notions with which intelligent machines and a future of autonomous objects are presently regarded and anticipated.